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Dienstag, 11. Juli 2017

Rad-Marathon Tannheimer Tal – 220 Km Platz 4

Wie immer erstmal die harten Fakten des Rad Marathons Tannheimer Tal

Strecke: 220 km, 3500 Hm
Zeit: 7:15 Stunden
Rad: Centurion Gigadrive Disc 4000 
Ergebnis: 4. Platz (AK 3)
Wer's noch genauer wissen will: Strava weiß alles!

Mit dem neuen Renner auf Rekordjagt. ©Kilian Kreb Fotografie

Die Vorgeschichte: Heuer, wie man hier in Tirol so schön sagt, bin ich erst ein einziges Rennen gefahren, nämlich den super lässigen Michelstädter City Cross am Pfingstmontag. Das war genauso spontan wie die Aktion gestern und endete auch mit einem 4. Platz. Sicher haben sich manche gefragt, wieso ich nach den Crossrennen im Dezember nichts mehr gefahren bin. Schlichtweg, weil's nicht mehr ging. Ich hatte am 1.1. einen fiesen Hexenschuss, der mich jetzt 5 Monate gequält hat, richtige Belastung war unmöglich. Hinzu kamen private Schicksalschläge, die mir auch den Stecker gezogen haben. Umso schöner war das Erlebnis vorgestern.

Start noch mit Verena und Vanessa im WNT Trikot
 
Das hatte ich in meinem Glücklos gestern :-)! Jeden Tag ne neue kleine Geste, Danke Haus Grad

Das Bild oben beschreibt eigentlich ziemlich genau meine Lebensphilosophie und auch wenn es immer etwas Überwindung kostet und ich mich selbst auch in unzähligen Ausreden wiederfinde, so ist es doppelt schön, wenn man sich am Ende getraut hat.
Jo, ich gebe euch recht, das Ziel war dieses Mal echt verdammt weit hochgegriffen und ich hatte auch ein wenig das Gefühl, dass ich jetzt völlig durchdrehe aber es gab ja praktisch keine andere Wahl :). Ich war gemeldet auf der 130 km-Strecke aber irgendwie fühle ich mich einfach noch nicht nach Radtouristik. Sobald ich Rennluft rieche, fängt bei mir die Schnappatmung an und dann dreht die Maschine hoch. Einmal Racer, immer Racer. Außerdem wollte ich endlich mal die 200 knacken. Meine längste Ausfahrt waren 165,5 Km nach Offenburg zum 24h Rennen. Flach. Keine 3500 Hm. Ich hab am Samstag umgemeldet. Zack, damit war's besiegelt.

Riedbergpass alleine.

Die Veranstaltung hier schien perfekt, um solch eine verrückte Aktion zu starten. Ich liebe das Tannheimer Tal, Allgäu, Tirol. Es ist wunderschön hier, die Berge geben Geborgenheit aber engen nicht ein, im Februar war ich hier zum Skaten und Skifahren und auch da schon fand ich es super. Ich war ja erst vor paar Wochen drüben in Kempten und bleibe jetzt noch ein paar Tage hier, will wandern und biken, die Speicher wieder auffüllen. Arbeiten werde ich auch, mein Laptop ist am Start und das Internet funktioniert in meiner Pension super.

Landschaftlich einfach der Hammer! Wunderschönes Tannheimer Tal…

Nachdem ich vor paar Wochen mit meinem neuen Hobel den Mont Ventoux gleich 3x niedergekämpft habe und mich danach noch aufrichten konnte, war für mich klar, dass ich es schaffen kann, wenn der Rücken hält. Vorbereitung hatte ich keine, Trainingplan gibt es schon lange nicht mehr. Ich fahre nach Wetter, Lust und Laune, nach Auftragslage und Gefühl. Die Dinge haben sich in den letzten 1,5 Jahren total verändert. Manchmal fahre ich Vollgas, weil es Spaß macht oder ramme einen Berg hoch – das sind meine Intervalle.

Steile Rampen am Riedbergpass. Schöne 16%

Anreise: Freitag hab ich mein kleines Auto vollgepackt mit Bike, Rennrad, Wanderschuhen und Co. Markus, vom Berger Hof, der gleich ums Eck ist, und bei dem ich im Frühjahr übernachtet habe (Frühstück, Cappucchino und der Rund-Um-Service sind nicht zu toppen – für alle Sportler DIE Location!) hat alles weitere für mich organisiert, selbst mein persönliches Geleit zum Start und zwar mit den Local-Heros: Vanessa und Mirko Pfauth. Mega nett!! Danke. Er war leider schon ausgebucht aber hier fühle ich mich auch sehr wohl und meine Gastgeber sorgen dafür, dass es mir gut geht.

Start: Aufgrund meiner Spontanentscheidung gab es wenig Zeit zum Überlegen, ob das jetzt klug oder dämlich war und so habe ich abends meine Kartoffeln gekocht und wollte um 21 Uhr ins Bett, was natürlich ein schöner Versuch war, aber für mich praktisch unmöglich. Start um 6:00 Uhr ist fies. Nach 4 Stunden Semi-Schlaf, vorgekochtem Reis mit Apfel-Bananenmus zum Frühstück (um 4:45Uhr!), ging es um 5:30 Uhr mit Vanessa und Mirko zum Start. Mirko hat mich wie selbstverständlich in den ersten Block katapultiert und den Ordner besänftigt. Ich kann mich gar nicht oft genug dafür bedanken. Nicht selbstverständlich, wenn die Freundin auf Sieg fahren will. Großes Merci!!

Manchmal bissel bucklig unterwegs aber das Lachen stirbt bekanntlich zuletzt ;)

Mirko ist in seiner Rolle als Wingman voll aufgegangen und hatte größten Spaß. Ich konnte natürlich auch davon profitieren, da es am Anfang echt brutalst zur Sache ging und ich das Ganze überhaupt nicht einschätzen konnte. Die kleinen Rampen wurde hochgeknallt, dass alles zu spät ist und Zurückhaltung ist ja auch nicht meine Stärke, so dass ich paar Mal alleine im Wind war und wieder raussnehmen musste. Scheiß Mountainbiker-Allüren halt :D. Nach 30 Minuten Regen. Viel Regen. 2 Stunden Regen. Die Männer fein ihre Regenjäckchen ausgepackt, die Ladies ohne. Klar :D. Zum Glück blieb es warm und ich schluckte fröhlich das Wasser, denn trinken kann man ja nie genug in so nem Rennen. Da ich keinen Betreuer hatte, war das eh so ne Sache.

So lustig hab ich's gar nicht in Erinnerung! :D

Im Regen kam mein neues Rennrad mit seinen Features voll auf seine Kosten. Viele fragen ja, wie ich die Disc-Bremse finde und ich würde sie nicht mehr tauschen wollen. Ich hatte ganz klar einen Vorteil und wenn das Rennen nur bergab gegangen wäre, hätte ich mich sicher weiter vorne eingereiht. Einfach zuverlässig, Bremskraft auf den Punkt, nicht einmal weggerutscht. 25er Bereifung. Perfektes Geschoß.

Im Regen das perfekte Rad mit Disc!!

Leider gab es nicht nur Abfahrten, sondern Berge, viele Berge, 3 harte Anstiege und 200 kleinere, die nicht minder weh taten. Am ersten Anstieg hoch zum Riedbergpass war ich noch in der Spitze aber musste Wingman mit seiner Siegerlady ziehen lassen, auch Verena und die Zweitplatzierte fuhren an mir vorbei. Meine Beine taten weh, der Rücken blockierte den rechten Obenschenkel. Ich musste rausnehmen. Hab mir gut zugeredet und bin unrund weiter hoch, auch wenn ich das doofe Gefühl hatte, von allen überholt zu werden. Virtuelle Wingmänner sind auch top aber live wäre das nochmal was anderes gewesen. Ich sagte mir aber immer wieder, dass auch dieser Berg zuende gehen wird und ich es schaffe. So war es am Ende ja auch. Oben Blasmusik aus Einhörnern. Ihr Tiroler seid's schon ne Gauditruppe!! :D Sehr geil.

Hab ich da nen Stau verursacht? :D Sorry! Hochtannbergpaß.

Nach der Abfahrt fuhr ich in einer Gruppe aber es war schon schwer, da dranzubleiben. Ich lies die Führung aus und reihte mich immer wieder hinten ein. Sobald es zum langen Anstieg auf den Hochtannbergpass ging, musste ich abreißen lassen und mein Tempo fahren. Mühsam so alleine aber ich war guter Dinge, der Rücken hatte sich etwas entspannt, die Umgebung war traumhaft schön. Hab immer wieder von 10 runtergezählt, keine Ahnung wieso. Im Takt getreten. Bis oben. Die Aussicht war toll, so eine coole Straße! Okay, mit Gegenverkehr und überholenden Autos und Motorrädern ist es manchmal nicht mehr so entspannend aber im Großen und Ganzen ging's und die Streckenwärter haben einen tollen Job gemacht! Danke! Super fand ich auch, dass es Flaschen und Gels an der Verpflegung unten gab.

Berghoch quälte ich mich schon ein wenig, die Finger waren voller Gel und ehrlich gesagt wäre ich jetzt gerne durch den Zielbogen gefahren aber ich hatte erst 130 Km auf dem Tacho! Au weia, doch ne dämliche Entscheidung? Kleines innerlichen Ringen, die Suche nach ner Abbiegemöglichkeit oder die Überlegung, bei dem 1,90€-Cappuccino-Schild einfach anzuhalten, gingen mir schon durch den Kopf aber dann fing ich halt wieder das Zählen an: "10,9,8,7,6,5… auch dieser Berg wird irgendwann zu Ende sein. Alla hopp!" Ich hab's irgendwie hoch geschafft, oben volle Kanne im Wind, alleine auf weiter Flur. Ausblick grandios! Kein Regen mehr. Tolles Gefühl.

Was freute ich mich auf die Abfahrt! Hatte auch ne Weile einen vor mir, der mir Windschatten bot. Dummerweise habe ich an der Verpflegung oben die Flasche nicht gekriegt, ich war einfach zu schnell und mein Hirn zu langsam. Sie flog voll auf den Boden. Vielleicht wäre es besser, die Verpflegung in der Ebene zu machen oder an einem kleineren Anstieg. Mein Trinken wurde knapp.

Letzter der 3 größeren Anstiege. Noch 20 Km bis ins Ziel. Da müsste ich die 200 drauf gehabt haben…

Wieder war ich alleine unterwegs. Ich sehnte mich wieder nach einem Wingman, den ich übrigens noch in keinem Rennen hatte. Da es in solchen Rennen aber Gang und Gebe ist, werde ich mir für die nächsten Male auch was überlegen. Platz 1 und 2 hatten einen oder gar mehrere. So kämpfte ich unzählige Kilometer alleine und war manchmal davon so erschöpft, dass ich den Gruppenanschluss auch nicht halten konnte oder an den Kuppen abreißen lassen musste. Das Lechtal zog sich. Viele Autos. Wieder ne Verpflegung. Ich wollte meine Gruppe nicht ziehen lassen und lies sie aus. Aber ohne Trinken geht der Motor ja auch aus, es war ein Dilemma. Die Gruppe verlor ich trotzdem. Hinter mir nichts außer Berge und vor mir noch 50 Kilometer. Es nahm kein Ende. Zwischendurch hatte ich aber auch ein tolles Gefühl und fuhr tief im Unterlenker. Ne Wahl gab es nicht. Durchhalten. Beißen. Treten. Dann ne 9er Gruppe von hinten. Vorher noch ein Stück Riegel, ich fühlte mich wie ein eingeholter Ausreißer bei der Tour de France. Wieder ein Stück Windschatten und mörderisches Tempo. Aber nichts mehr in der Flasche. Ich musste raus zur Verpflegung. Dort war gerade jemand mit einem Becher am Hahn und ich bin fast durchgedreht vom Warten. Der Strahl kam gefühlt auch so langsam, dass ich nur die halbe Flasche füllte und weiter fuhr. Dann kam der 3. Anstieg. Zwar nicht mehr so lange aber immernoch zu lange für mein Gefühl. Die Höhenmeteranzeige von meinem Garmin zog sich und mit jeder Spitze dachte ich, dass es danach runter gehen würde aber dann kam die nächste Spitze. Aber auch der Berg ging zu Ende.

Letzten 10 Km Richtung Ziel - Walchensee

Am Ende noch mal abwechselnde Führung mit einem anderen Fahrer. Vor der Wende hatte ich keine Kraft mehr an seinem Hinterrad zu bleiben, ich war komplett leer. Aber das Ziel war nah. 7:15 Stunden saß ich im Sattel. Wahnsinn. Das Gefühl danach war unbeschreiblich. Auf den letzten Metern kamen alle Emotionen hoch, meine letzten 3 Wochen waren so hart und ich war in dem Moment so stolz, dass ich es geschafft hatte. In so einem Moment fließt so viel Energie zurück und obwohl man kaputt ist, tankt man innerlich auf. Vanessa Perktold hatte grandios im Sprint gewonnen (Glückwunsch!), der Wingman–mit-Happy-End-Garantie war stolz wie Bolle und die Sonne lachte vom Himmel. Was ein Tag.

Danach ging es zur Siegerehrung, von dort ins Bräuhaus und noch später dann zum Berger Hof, wo die beiden Paralympiker Steven Peace und Hans-Peter Durst nächtigten. Wir begossen unseren Tag mit Haselnußschnaps und Rotwein. Es war herrlich und war mir eine Ehre mit solch coolen, ehrgeizigen, erfolgreichen und interessanten Menschen den Tag ausklingen zu lassen. Es wurde spät und war ein besonderer Abschluss.

Die Strecke lohnt sich. Nicht nur im Rennen…

Danke an den Tourismusverband Tannheimer Tal für die tolle Organisation und die Chance auf ein bleibendes Erlebnis, vor allem an Steffi Roth, die mir bei der Zimmersuche und allem anderen half.

Danke an meinen Physio Sebastian Richter vom Körperwerk in Freiburg. Ohne Dich wäre das nichts geworden.

Der Tag danach war weniger schlimm als ich dachte und selbst ein kleiner Berglauf zu den Kühen oben war machbar. Vielen Dank an Klaudia Grad für die kleinen Aufmerksamkeiten, für das Glückslos, die Massagemöglichkeit und den Riegel heute Morgen. Am Donnerstag soll es schön werden, da werde ich wohl das Bike auspacken und die 3-Hütten Tour fahren.
Eure Reb

Gestern auf der Hydromassageliege hier im Haus Grad. Überwasser-Massage für die lädierten Muskeln. Top!